Am 12.11.1918 wurde mit der Ausrufung der Republik Österreich und dem Erlass des Gesetzes zur Staats- und Regierungsform das Frauenwahlrecht in der Verfassung verankert. Artikel 9 des Gesetzes legte fest, dass das Wahlrecht für nationale Wahlen universal und unabhängig vom Geschlecht sei. Damit wurde in quasi einer „Randbemerkung“ das umstritten diskutierte Frauenwahlrecht gesetzlich festgeschrieben und im neuen Staatsgesetz als selbstverständlich positioniert. Am 16. Februar kam es 1919 in Österreich zu der ersten allgemeinen, gleichen und freien Wahl. 82,10 % aller wahlberechtigten Frauen und 86,98 % der Männer gaben ihre Stimme ab. Nicht wahlberechtigt waren zu diesem Zeitpunkt Prostituierte. Sie erhielten das Wahlrecht erst im Jahr 1923. Um zu wissen, wie Frauen überhaupt wählen, mussten Frauen und Männer unterschiedlich färbige Kuverts zur Stimmabgabe im Wahllokal benutzen. Die etablierten Parteien hatten große Furcht vor der weiblichen Unberechenbarkeit bei politischen Wahlen. Mit der konstituierenden Nationalversammlung am 4. März 1919 umfasste der Nationalrat im Parlament erstmalig auch weibliche Abgeordnete. Diese acht Frauen waren Henna Boschek, Emmy Freundlich, Adelheid Popp, Gabriele Proft, Therese Schlesinger, Amalie Seidel und Maria Tusch für die Sozialdemokratische Partei sowie Dr. Hildegard Burjan für die Christlichsoziale Partei.
Ö1 und 100 Jahre Frauenwahlrecht in Österreich
Im Rahmen von „100 Jahre Frauenwahlrecht in Österreich“ hat Ö1 im Jahr 2019 52 Frauenporträts skizziert und mit Zitaten der Frauen untermalt. Die Gestaltung erfolgte durch Birgit Allesch und Sophie Menasse. Frauen und deren politische Leistungen werden über diese Porträts sichtbar: Neben den ersten acht Frauen, die in die Konstituierende Nationalversammlung gewählt wurden, gibt es noch viele Gewerkschafterinnen und Ministerinnen, Staatssekretärinnen und politische Aktivistinnen, die nicht in Vergessenheit geraten sollen bzw. die für viele Leser*innen überhaupt erstmalig in diesem Kontext sichtbar werden. Die Porträtminiaturen wurden 2019 im Rahmen der Sendung „Guten Morgen Österreich“ ausgestrahlt.
Österreichische Bundespräsidentin
Das Gesicht der ersten österreichischen Präsidentin ist unter den 52 Frauenporträts aber nicht zu finden. Das muss erst noch kommen – Vielleicht ist es ja genau Ihr Gesicht oder das Ihrer besten Freundin oder Ihrer Enkelin… was denken Sie?
Hier sind die Frauenporträts zu finden – anklicken lohnt sich und hält viel Wissenswertes bereit!
Frauenmacht – Frauen machen Politik – oe1.ORF.at
https://oe1.orf.at/archiv_frauenmacht
Tipp für eine kreative Einheit „Politische Bildung“
Ob in der Schule, in einem AMS-Training, in einem Bürger*innen-Forum oder wo auch immer ein solcher Workshop noch Platz finden könnte, Sie sind als Trainer*in, Workshopleitung, Lehrkraft usw. eingeladen in Ihrer Gruppe die hier beschriebene Workshop-Konzeption für sich zu adaptieren und umzusetzen. Hierbei gewonnene Erkenntnisse oder praktische Anregungen gerne als Kommentar dann wieder hier deponieren.
ANLEITUNG
Drucken Sie die Porträts aus – 1x nur die Fotos und 1x Fotos inkl. Name und Text (https://oe1.orf.at/archiv_frauenmacht)
- Ebene der Auseinandersetzung: Lassen Sie Ihre Zielgruppe in Kleingruppen (zu zweit oder zu dritt) ca. 5 Frauenfotos (ohne Namen und ohne Text) diskutieren. Sie sollen erraten oder auch bereits vorhandenes Wissen teilen, was diese Frau wohl politisch betrachtet für Österreich/in Österreich geleistet hat.
Für jedes Foto halten sie gemeinsam als Gruppe 5 Begriffe/Assoziationen zu dem Bild fest, die ihnen wichtig sind. Dafür haben die Kleingruppen 90 Minuten Zeit.
Es folgen:
** Präsentation der Kleingruppenergebnisse
** Sammlung der Fotos und der Begriffe auf einem gemeinsamen Plakat.
** Diskussion im Plenum - Ebene der Auseinandersetzung: Jede teilnehmende Person erhält 4 Frauen inkl. Foto, Namen und Text. Der Einzelauftrag lautet in etwa:
„Ihr habt nun jede/r für sich 60 Minuten Zeit. Lest euch eure 4 Frauen durch. Recherchiert im Internet, was euch zu den 4 Frauen noch interessiert. Dann versucht ihr die 4 Frauen in die 4 Felder der Tabelle aus eurer Sicht zuzuordnen und mit einem „weil“ zu begründen – WICHTIG: ES GIBT KEIN RICHTIG ODER FALSCH! Es geht darum, dass ihr schaut, wie wer auf euch wirkt. Anschließend geht ihr zu zweit zusammen und präsentiert euch wechselseitig eure Ergebnisse. Dafür habt ihr 30 Minuten zusätzlich Zeit.“
Diese Frau mit ihrer Leistung wirkt wirklich sympathisch/ansprechend … … weil … | Diese Frau mit ihrer Leistung wirkt (eher) unsympathisch … … weil …. |
Diese Frau ist/war wichtig für die Frauenpolitik oder für Frauenrechte … … weil … | Diese Frau versteh ich nicht (so ganz) … … weil … |
3. Ebene der Auseinandersetzung: 3 Personen bilden jeweils eine Gruppe und haben 120 Minuten Zeit als Gruppe zu arbeiten. Person 1 ist (angehende) Politikerin, Person 2 ist Wähler*in, Person 3 ist von der Polizei. Diese 3 Rollen werden auf die 3 Personen jeder Gruppe aufgeteilt.
Dann folgendes Szenario: „Eine Gruppe junger Menschen besetzt gewaltfrei aber entschlossen, laut sichtbar mit Spraydosen und Transparenten ein leerstehendes Gebäude in der Umgebung. Sie fordern ein Jugendkulturzentrum, um sich als junger Mensch zwanglos und unkompliziert treffen und feiern zu können.“
Die Aufgabe an die Gruppe lautet zunächst:
„Jeder der 3 Personen in der Gruppe schreibt erst einmal in einem kurzen Absatz den eigenen Standpunkt dazu auf (in 4 bis 10 Sätzen). Es geht darum, was die einzelne Person als eben Politikerin, als Wähler*in oder als Polizei zu dieser Hausbesetzung denkt. Ihr stellt euch dabei vor, jede*r von euch bereitet ein eigenes Statement für eine Pressekonferenz vor. Diese findet in ein paar Stunden zum Thema HAUSBESETZUNG statt und jede*r muss da eine Meinung dazu haben.
Im nächsten Schritt präsentiert ihr euch eure Statements wechselseitig – zunächst nur zuhören, keine Diskussion.
Wenn alle 3 präsentiert haben, folgt die Analyse der 3 Statements auf GEMEINSAMKEITEN/UNTERSCHIEDE und WO FÜHLE ICH MICH GUT VERSTANDEN? WO FÜHLEN ICH MICH MISSVERSTANDEN?“
GEMEINSAMKEITEN | UNTERSCHIEDE |
VERSTEHEN / VERSTÄNNDIS | MISSVERSTÄNDNISSE / MÖGLICHE GEFAHREN |
Im weiteren Verlauf lautet nun die Aufgabenstellung: „Die 3 Personen jeder Kleingruppe wollen „ihre“ jeweilige Politikerin für eine Wahl nominieren. Legt fest, mit welcher Botschaft/Meinung zum Thema HAUSBESETZUNG kann die Politikerin in der Öffentlichkeit punkten? Die Gruppe hält auf einem (Wahl)Plakat fest:
** Bild/Foto der Politikerin
** 3 wichtige Stationen im bisherigen Lebenslauf
** eine Erklärung „Deswegen engagiere ich mich….“
** mein Wahlversprechen/Meine Wahlbotschaft
** 3 Schlagwörter die mich kennzeichnen
Alle Kleingruppen präsentieren ihr Plakat im Plenum – die Politikerinnen bleiben auf der Bühne. Dann geht´s auf zu einer Wahl. Alle sind per Briefwahl wahlberechtigt. Alle erhalten 1 Stimmblatt und sollen nun klar entscheiden „Diese Politikerin mit ihrem Plakat hat mich überzeugt!“.
Nachdem alle Ergebnisse zusammengetragen und ausgewertet wurden, folgt die Präsentation des Wahlergebnisses. Ein Erfahrungsaustausch und eine anschließende Wahlparty runden dieses Workshop-Szenario in der praktischen Umsetzung ab.
Weiterführende/Vertiefende Links – Reinklicken lohnt sich:
LINK 1
Der Kampf um das Frauenwahlrecht – Frauen machen Geschichte
Ein Website-Projekt des Karl-Renner-Instituts, für welches Mag.a Angelika Zach sich verantwortlich zeigt, bietet einen gut dokumentierten Einblick in die Geschichte der sozialdemokratischen Frauenbewegung. Das Karl-Renner-Institut ist die politische Akademie der Sozialdemokratischen Partei Österreichs. Die Website bietet losgelöst von der Tatsache, dass es dabei um eine parteipolitische Wissensplattform handelt, einen interessanten Einblick in die frauenpolitischen Standpunkte, Entwicklungen und Errungenschaften der damaligen Zeit.
LINK 2
Kampf um das Frauenwahlrecht – Demokratiezentrum Wien
Ein gut ausgestaltetes, facettenreiches Dossier zum Thema „Frauenwahlrecht mit folgenden Inhalten:
- Bürgerliche Revolution 1848
- Kampf um das Männer- und Frauenwahlrecht
- Allgemeines und gleiches Männerwahlrecht
- Allgemeines und gleiches Frauenwahlrecht
- Die Frau als Wählerin – Der Gender-Gap
- Frauen in der Politik
- Quellen
DIESER BLOG-BEITRAG IST GEFÖRDERT AUS MITTELN DER ÖSTERREICHISCHEN GESELLSCHAFT FÜR POLITISCHE BILDUNG.