22.35 Uhr

22.35 Uhr digitale Anzeige

Es ist nach 22 Uhr – Ich bin wieder zu Hause. Ich steh vor meinem überdimensionierten und dennoch überquellenden Bücherregal und will mir noch ein Buch fürs Bett raus suchen. Da fällt mein Blick in das Fach, wo sie – inmitten der restlichen eher chaotischen Bücherdarbietung – liebevoll ordentlich eingeräumt sind: meinen kleinen Heldinnen der Kindheit!

Wie habe ich diese Bücher geliebt und als Leseratte verschlungen…. immer wieder gelesen, immer wieder neue Facetten entdeckt…. Immer wieder in mir gewirkt.

Die Adelheid, die als Heidi ein natürliches, inspirierendes und Menschen berührendes Leben in den Schweizer Bergen lebt und in der Stadt Frankfurt – eingesperrt in Beton, Lärm und Hektik – Ihre Lebensfreude verliert und mit ihrem Weg-Sein auch die Menschen, in deren Herzen sie in den Bergen Platz genommen hat: der Alm-Öhi, der Geißen-Peter, die Großmutter. Die Geschichte eines Kind Seins, wo das Thema Geschlecht als Fläche der Möglichkeiten aufgespannt wird zwischen verschiedenen Geschlechter-Polaritäten:

Peter versus Clara: Peter ist ein Naturbursche, treibt sich ständig draußen rum, nicht so gut in der Schule, mutig und forsch, ein liebenswerter Lauser, der aber dennoch genug Verantwortungsgefühl hat, dass ihm die Ziegen anvertraut werden.  Clara ist die wohlerzogene, zarte, behütete Tochter aus gutem Hause. Ein weibliches Wesen, das zu zart ist, um eigenständig zu gehen und deshalb durch die Welt geschoben bzw. getragen werden muss.

Alm-Öhi versus Fräulein Rottenmeier: beide Charaktere sind von den Grundzügen her ähnlich: Einsam & schrullig haben sich beide im Grunde genommen von einer konventionellen Lebensgestaltung verabschiedet – Der Alm-Öhi als der brummige Alte, der hoch oben wohnt, weg von den Menschen. Er will seine Ruhe haben und das Dorf lässt ihn auch in Ruhe, weil sie sich vor seinem Zorn und seiner Ablehnung fürchten. Das Fräulein Rottenmeier, die ewige Jungfer, die kein Mann haben will und die als unverheiratete und nicht umworbene Frau in der damaligen Zeit wohl nichts anderes tun konnte, als als Kindermädchen zu arbeiten. In Verbitterung über ihr eigenes Leben ist sie seht streng und zeigt als Erzieherin mit unnachgiebiger Konsequenz, wie Mädchen gefälligst du sein haben.

Oder Ilse – wie hab ich dieses Leben gedanklich und emotional mitgelebt! Ein Mädchen, das als Trotzkopf dem Leben trotzt. Die Wildheit ihres Wesens und der Drang, ein Leben selbst gestalten zu dürfen, auch wenn es die Grenzen von Normen und Tradition bisweilen überschreitet, wurden durch die Erziehung in einem Mädchenpensionat nicht gebrochen. Die Geschichte zeichnet einen Charakter, der sich durchsetzen will und kann, anstatt sich als Frau fügsam entlang der Gegebenheiten einzuordnen.

Und nicht zuletzt die Seeräubertochter, die als Pippi Langstrumpf die Welt neu erfindet. Jedes Abenteuer mit Spannung erwartet, dann im Fernsehen mitgefiebert und in unzähligen Träumen Szene für Szene neu nachempfunden. Ich war dabei immer in der Figur der Pippi. Was habe ich alles Spannendes erlebt! Und welche Herausforderungen ich gemeistert habe! Pippi war meine Heldin:  Ein Mädchen, das  rein fürs Überleben keine Erwachsenen braucht und im Gegenteil mit ihrer Stärke und Gewieftheit mehr Schutz  bieten kann als irgendeine erwachsene Person. Und emotional doch eine Mama und einen Papa hat, die immer gegenwärtig sind in ihrem Herzen – weder typisch Mädchen noch typisch Junge, einfach nur menschlich.

Das bringt mich zur Forschungsfrage:

Wie haben die „Held*innen der Kindheit“ das Geschlechterverständnis von Frauen und das Einnehmen der eigenen Geschlechterrolle geprägt? Was erzählen Frauen in narrativen Interviews über ihr Leben in der Vorstellung, es hätte ihre Heldin/ihren Helden nicht gegeben – was wäre anders in ihrem Leben?

Mitte Juni geht´s weiter mit der Geschichte – Punkt 23 Uhr 😊

Gerne mit deinen Anregungen und Ideen! Nutz einfach die Kommentar-Funktion unten… ich freu mich.

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