Gedanken-Karussell zu „Geschlecht“ und „Sprache“ von Cornelia Berger
Als Mitarbeiterin einer Frauenberatungsstelle ist es mir immanent, auf gendersensible Sprache zu achten.
Und doch passierte es mir: In lockerer Atmosphäre, bei einem schnellen Plausch am Gang, sprach ich unbedacht das aus, was sonst nicht aus meinem Mund herauspurzelt:
„Ja weißt du“, sprach ich zu meiner Kollegin, „es ist schon anstrengend, aber ich mache es ja gerne für meinen Sohn. Ich bin ja eine richtige Fußballmutti.“
Und nicht, dass Sie, verehrte Leserin und Leser, jetzt glauben, der Blitz jeglicher göttlichen weiblichen Entität hätte mich in der Sekunde getroffen. Auch meine Kollegin überging diesen Ausspruch. Und nein, auch ich selbst warf mich nicht wimmernd zu Boden.
All das ist nicht passiert.
Erst am Abend beim gemütlichen Fernsehen mit meinem Mann schoss es mir ein: Wieso denn bitte Fußballmutti? Also nicht, dass ich etwas gegen das Wort „Mutti“ hätte. Das habe ich schon selbstbestimmt und bewusst so gewählt. Es ist nämlich sehr entspannend, sich auf einem vollen Spielplatz nicht alle 5 Sekunden hektisch nach den eigenen Kindern umsehen zu müssen, nur weil ein in höchsten Tönen gekreischtes „Maaaamiiiiiii“ herüberschallt.
Aber jetzt bin ich abgeschweift.
Auf jeden Fall sitze ich da so gemütlich auf meiner Couch und mache mir Gedanken darüber, weshalb ich mich über das Fußballmutti-Sein definiere und sogar rechtfertige. Und ja, das führt unweigerlich zur Frage: Gibt es den Fußballvati auch? Wenn ich diesen Begriff in einer Diskussion fallen lassen würde, gäbe es dann sofort die richtigen Assoziationen?
Ich bin mir sicher, dass Sie als geneigte Leserin, als geneigter Leser, bei der Fußballmutti umgehend die Bilder einer leicht gestressten, mit Herzblut am Rand des Rasens stehenden Frau im Kopf hatten, die sich mit ihrer Mannschaft mitfreut (und natürlich auch mitleidet).
Ja, so ist die Realität auch.
Und nun die ehrlich gemeinte Frage: Hatten Sie diese Assoziationen beim Begriff des „Fußballvati“ auch?
Oder hat sich da nicht doch vielleicht vor unserem geistigen Auge das Bild eines Vaters aufgetan, der mit einer Flasche Bier in der Hand in trauter Eintracht mit den anderen Vätern, über das (Nicht-) Können des Nachwuchses fachsimpelt. Und natürlich ebenfalls mitfreut und mitleidet, aber halt alles ein bisschen lauter, wilder, ungehaltener.
Und was machen wir jetzt, wenn die Fußballmutti auch ein Bier in der Hand hat(te)?
Es ist schon irgendwie schwierig mit diesen Rollenklischees…
Diese Schubladisierungen sind – und jetzt wird es etwas überraschend – ja auch ganz okay.
Denn wir müssen unser Leben regeln, einteilen und übersichtlich gestalten.
Problematisch wird die Bewertung der jeweiligen Schublade. Und da hakt es dann oftmals in der zwischenmenschlichen Kommunikation. Das, was mir ganz automatisch über die Lippen kommt und für mich keinen negativen Beigeschmack hinterlässt, kommt bei meinem Gegenüber ganz anders an. Die Schubladen von ihr, von ihm, sind nicht dieselben, wie meine. Und dann sage ich etwas und dann sagt sie/er etwas und dann schauen wir uns an und kommen nicht mehr auf einen grünen Zweig.
Kommt Ihnen das bekannt vor? Und natürlich wissen das all die klugen Köpfe aus der Kommunikationspsychologie auch bereits. Aber endgültige Lösungen für unser Dilemma präsentieren sie auch nicht, diese klugen Köpfe…, ich übrigens auch nicht.
Heute in der Früh fahre ich in die Arbeit und höre in den Nachrichten, dass in Österreich die zweite Gewaltambulanz eröffnet wird (Meine Kinder würden dazu sagen: „Feiere ich!“ – Für alle, die jetzt nicht mit Kindern/Jugendlichen „gesegnet“ sind und somit tagtäglich Jugendsprache in die Ohren bekommen: „Feiere ich“ ist ein Universalausspruch für „Juchu“, „Das freut mich“ „Super“).
Und schon wieder abgeschweift…
Auf jeden Fall kommt selbstverständlich der Hinweis des Moderators „[…] damit die meist männlichen Täter […]“.
Ja, stimmt schon das mit dem zumeist männlichen Täter und dass es auch weibliche Täterinnen gibt.
Die nächste Nachricht lautete jedoch, dass die Rapid-Funktionäre (da müssen wir jetzt nicht auf gendersensible Sprache achten, aber das war ja wohl klar, oder? Es geht um Fußball und um Ämter…) eine Strafe wegen ihres ungebührlichen Verhaltens beim letzten Match erhielten. (Auch da würden meine Kinder jetzt ein „Feiere ich!“ reinwerfen)
Und ich frage mich: Wenn wir schon so genau sind und bei Gewalttaten immer wieder implizieren oder sogar direkt kommunizieren, dass es auch weibliche Täterinnen gibt: Warum gehen wir dann aber alle davon aus, dass, wenn wir „Fußball“ sagen, immer der Männerfußball gemeint ist?
Liebe Leserin, lieber Leser, ich habe dafür wirklich keine Lösung. Aber ich kann Denkanstöße geben.
Und um nochmals zum Fußball zurückzukehren: Das sollen aber keinesfalls Strafstöße sein. Gemeint ist vielmehr, dass das Runde ins Eckige geht und manchmal das Eckige ins Runde, denn:
Die Denkanstöße, die ich meine, sollen anregen, sich der eigenen Sprache, der eigenen Wahrnehmung, der eigenen Schubladen und der eigenen (Be-)Wertungen bewusst zu sein und vielleicht … eh nur hin und wieder … diese auf Gendersensibilität zu hinterfragen.